Auszug aus Kapitel:

Krieg den Frieden

Karma: Im weitesten Sinne ist Karma ein Kausalitätsgesetz aus Ursache und Wirkung, das eine Handlung nach sich zieht. Diese Handlung wiederum erzeugt erneut eine Wirkung. Das Ganze ist ein Kreislauf aus Ursache, Wirkung und Handlung.

Ganz einfach ausgedrückt: Ich nehme einen Ball in die Hand und lasse ihn zu Boden fallen. Eine Handlung und eine Wirkung. Eine Handlung, den Ball loszulassen, und die Wirkung, dass er zu Boden fällt. Die Ursachen, die Erdanziehungskraft usw., lasse ich jetzt mal weg.

Der Punkt ist der, dass du und ich, mein lieber Leser, jeden Tag unendlich viele Handlungen begehen, die eine Wirkung haben.

Das wirklich hammerharte dabei ist, dass das Ergebnis dieser Handlung auf uns selbst zurückfällt.

Diese Gesetzmäßigkeit ist überall verankert, und es gibt nun mal keinen Zufall. Auch habe ich es erfahren, und es fällt mir immer öfter auf. Später erfuhr ich dann, dass sogar die Dharma-Lehre aussagt, dass alles, was wir tun, auf uns zurückfällt. 

„Wie du in den Wald hineinschreist, so schallt es heraus.“ Die Amerikaner sagen immer: „What goes round comes round.“ Das Christentum sagt: „Wer Wind sät, wird Sturm ernten, wer Liebe sät, der erntet Liebe.“ Usw., usw. Selbst der Sakyong Mipham Rinpoche meinte mal: „Pflanze ich einen Apfelbaum, dann ernte ich Äpfel. Pflanze ich einen Birnbaum, dann ernte ich Birnen.“

Alles kommt zurück, und wir leiden nur leider unter dem Trugschluss, dass, wenn ich zu einem bestimmten Menschen besonders lieb bin, der dann auch besonders lieb zu mir ist. Wir haben die Vorstellung, unser gutes Karma genau da wieder zu bekommen, wo wir es gesät haben. Aber so funktioniert Karma nicht. Unter Umständen bekommen wir das von einer ganz anderen Seite zurück. Aber zurück kommt alles.

Ich denke, dass der Dalai Lama, der Kundun, schon merkwürdig ist, wenn er sich für einem Fußtritt bedankt. Er ist der Meinung, man habe ihn von schlechtem Karma (Sünde) befreit. Nun ist der Dalai Lama natürlich Buddhist und hat seine eigene Handlungsweise wahrscheinlich nie mit der Aussage von Jesus Christus in Verbindung gebracht, der gesagt hat: „Wenn dich jemand auf die rechte Wange schlägt, dann halte auch die linke hin.“

Also, wenn der Dalai Lama und Jesus Christus dasselbe sagen, dann werde ich persönlich besonders hellhörig. Es wäre für mich ja wirklich ungesund zurückzuschlagen, wenn mich jemand schlägt, denn ich würde für mich schlechtes Karma senden, das irgendwann zu mir zurückkommt. 

Jetzt gäbe es vielleicht  aus christlicher Sichtweise den Einwand, dass Jesus Sohn Gottes ist. Aber da es aus christlicher Sicht heißt, dass wir alle Kinder Gottes sind, dann ist der Dalai Lama wohl auch ein Kind Gottes und du und ich natürlich auch. Mit einem erweiterten Horizont könnte man aus christlicher Sicht sogar sagen, dass wir alle Geschwister sind und dass der Brudermord aus der Bibel von Kain und Abel jeden Tag aufs Neue stattfindet.

Aus christlicher Sichtweise hingegen ist der Begriff „Kinder Gottes“ genau definiert. Zitat Jesus Christus: „Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Kinder Gottes heißen.“ Wobei die Frage im Raum stehen bleibt, wie friedfertig Menschen wohl wirklich waren oder sind.  

Der Dalai Lama bedankt sich für einen Fußtritt und Jesus ging auch so weit und meinte: „Liebet eure Feinde.“ Mit einem klaren Verstand könnte man wohl einem Menschen noch dankbar sein und auch lieben für einen Fußtritt und für die Aufhebung des schlechten Karmas.

Mit dem Herzen von Bodhichitta, dem erwachtem Herz des Mitgefühls, ist es möglich, um meine Täter zu weinen, weil ich davon weiß, dass dieses schlechte Karma zu ihnen zurückkommt. Im Klartext heißt das: „Wenn mich jemand tritt, dann tut er mir leid.“

„Wenn dich jemand auf die rechte Wange schlägt, dann halte auch die andere hin“, widerspricht im Grunde jeglicher Logik und jeglichem menschlichen Handeln. Aber verknüpft mit der Aussage, dass alles zurückkommt, ergibt es einen Sinn.

Schlägt mich jemand, sendet er für sich schlechtes Karma, das zu ihm zurückkommt. Schlage ich ihn dann auch, sende ich auch wieder schlechtes Karma, das zu mir zurückkommt.

In unserer blinden Welt entstehen durch dieses ständige Zurückschlagen Spiralen von Gewalt. Im Grunde ist es aber tatsächlich intelligent, nicht zurückzuschlagen.

Ich weiß, dass es vielleicht unvorstellbar klingen mag, was ich hier schreibe, mein lieber Leser, aber man kann die Karmagesetze wirklich logisch überblicken. In unserer Gesellschaft entwickelt sich der Intellekt rasend schnell. Leider Gottes scheint dabei das Herz und die Liebe zurückzubleiben. Die Kausalitätsgesetze von Karma sind sehr tiefsinnig und haben sehr viele Aspekte. Was ich hier zunächst näherbringen möchte, ist der erste Aspekt. In diesem Kapitel geht es um den  Frieden. Frieden ist die Sprache des Herzens. Das Herz selbst fragt auch nicht nach einem logischen Verständnis, und doch will der Mensch die Dinge mit dem Intellekt erfassen. Der Mensch will es begreifen. Der Mensch will leider Gottes wissen, warum er besser nicht zurückschlagen soll, wenn er geschlagen wird. Die Kausalitätsgesetze von Ursache, Wirkung und Handlung sind mit dem Intellekt zu verstehen und sogar reinste Logik, aber die Tiefe und Liebe des eigenen Herzens ist nicht greifbar. Sie ist unbegreiflich. Liebe ist plötzlich einfach da. Sie entsteht durch ein Gefühl von Offenheit und ist jenseits von begrifflichem Verständnis.

Auszug aus Kapitel: 

Pfeile und Lotusblüten

Aus den Vereinigten Staaten entstand eine Antiraucherkampagne, die ihresgleichen sucht. „Rauchen sei Körperverletzung an den Nichtrauchern.“ Das ist wohl richtig. Aber die Umweltpolitik, die die USA betreiben, und auch die Umweltpolitik, die in anderen Industriestaaten betrieben wird, ist Körperverletzung an der ganzen Welt. „Wer Schaden verursacht, wird leider auch Schaden ernten.“ Ich schrieb nicht umsonst, dass Wagemut dazu gehört, der Führer eines Volkes zu sein, weil ich dann den Weg bestimme, ihn vorlege und damit die Hauptverantwortung übernehme, und das meiste Karma auf meine Seele nehme. Jeder Mensch hat die freie Wahl, den Weg vorzulegen und vielleicht Verdienst zu sammeln, gutes Karma, oder sich an der Welt der fühlenden Lebewesen zu versündigen und schlechtes Karma zu senden. In jedem Fall kommt alles zurück. Es ist nur eine Frage der Zeit.